Infineon Technologies gelingt Durchbruch in Carbon-Nanotube-Technik - Erstmals gezieltes Wachstum von Nanotubes an vordefinierten Stellen auf Silizium-Scheiben durch Mikroelektronik-kompatibles Verfahren

06.06.2002 | Market News

München, 06. Juni 2002 – Forschern des Münchener Halbleiterherstellers Infineon Technologies ist ein entscheidender Durchbruch in dem viel versprechenden Forschungszweig der Carbon Nanotubes (CNT) gelungen. Ein in der Halbleiterindustrie erprobtes und bewährtes Verfahren wurde so modifiziert, dass CNTs erstmals an vordefinierten Stellen auf 6-Zoll-Wafern aufwachsen. Die für viele Anwendungen hoch interessanten Eigenschaften der CNTs wie beispielsweise Stromdichten von bis zu 1010 Ampere pro Quadratzentimeter und eine annähernd doppelt so hohe Wärmeleitfähigkeit im Vergleich zu Diamanten können damit erstmals in Wafer-kompatiblen Prozessen für die IC-Entwicklung genutzt werden. Zahlreiche weitere Features machen CNTs zum Top-Material der zukünftigen Halbleitertechnik mit signifikant höherer Zuverlässigkeit und beträchtlichem Steigerungspotential bei Chip-Taktraten.

CNTs gehören zur Familie der Fullerene und stellen neben Graphit und Diamant die dritte Modifikation von Kohlenstoff dar. Ein Fulleren ist ein Cluster mit in sich geschlossener polyedrischer Struktur (also eine Art Nano-Fußball), bestehend aus einer geraden Anzahl (meist 60 oder 70) von Kohlenstoffatomen. CNTs sind jedoch nicht rund sondern länglich und stellen winzige, nahtlose Röhren mit einem extrem hohen Längen/Durchmesser-Verhältnis dar. Der Durchmesser variiert zwischen 0,4 und 100 nm, während die Länge derzeit 1 mm erreichen kann.

Die für die Halbleiterindustrie wohl interessanteste Eigenschaft von CNTs ist ihre extrem hohe Stromleitfähigkeit. Aufgrund des sogenannten ballistischen Elektronentransports wird das Ohm’sche Gesetz außer Kraft gesetzt und der elektrische Widerstand ist eine nahezu längenunabhängige Konstante. Quantenmechanische Effekte führen zu einem Widerstand von R0 = h/4e2 = 6,5 kO pro Röhre, der durch Parallelschaltung noch weiter verringert werden kann. Diese bemerkenswerte Eigenschaft der CNTs ermöglicht Stromdichten von bis zu 1010 Ampere pro Quadratzentimeter. Dies ist ein enorm hoher Wert, wenn man bedenkt, dass Kupfer bei einer Stromdichte von etwa 107 A/cm2 zu schmelzen beginnt. Angesichts der Expertenmeinung, dass Halbleiter-Chips in etwa zehn Jahren eine Stromdichte von 3,3 x 106 A/cm2 bewältigen müssen, ist die Tragweite dieser CNT-Eigenschaft nicht hoch genug einzuschätzen. Mit konventionellen Stromleitern ist dies kaum realisierbar, jedenfalls nicht ohne extreme Hitzeentwicklung.

Dadurch, dass in CNTs der Strom praktisch ohne „Reibung“ fließt, entsteht auch keine überschüssige Hitze, die es abzuführen gilt. Hitze entwickelt sich bei Einsatz von CNTs als Stromleiter nur an den Kontaktstellen zu anderen Materialien. Doch hier hilft eine weitere günstige Eigenschaft von CNTs: ihre extrem hohe Wärmeleitfähigkeit. Sie übertrifft selbst die von Diamant, dem Material mit der bislang höchsten bekannten Wärmeleitfähigkeit von 3.000 W/(K m). Experten rechnen mit einem zweimal so großen Wert für CNTs. Ein geradezu traumhafter Wert, wenn man bedenkt, welche Tricks die Chip-Industrie bereits heute anwenden muss, damit Hochleistungsprozessoren nicht – im wahrsten Sinne des Wortes – durchbrennen.

Erprobtes Verfahren der Halbleiterhersteller erfolgreich modifiziert


Schon diese wenigen Eigenschaften reichen aus, um CNTs zum Top-Material der zukünftigen Halbleitertechnologie zu machen. Das Problem bislang war nur, dass die Herstellungsverfahren für CNTs – Laserverdampfung oder Lichtbogenentladung – mit der Halbleitertechnik nur schwer zu vereinbaren sind. Das hat Infineon nun geändert und man kann zu Recht von einem großen Schritt vorwärts in der CNT-Technik sprechen. Dem Infineon-Team unter Leitung von Dr. Wolfgang Hönlein, Senior Director im Forschungsbereich Nano-Prozesse, ist es gelungen, CNTs in einem hochparallelen Batch-Prozess auf einem 6-Zoll-Wafer an vordefinierten Stellen aufzuwachsen. Die Infineon-Wissenschaftler modifizierten dabei erfolgreich ein in der Mikroelektronik weit verbreitetes Abscheidungsverfahren. „Sämtliche Prozessparameter wie Temperatur und verwendete Materialien sind voll mit herkömmlichen Prozessen in der Halbleiterherstellung vereinbar“, führte Dr. Franz Kreupl, Forscher im Nano-Team, aus.

„Die hier erzielten Resultate lassen sich beliebig reproduzieren und die Strukturen sind mit ausreichender Homogenität über die ganze Scheibe hinweg an den vorbestimmten Stellen gewachsen,“ sagte Dr. Sönke Mehrgardt, im Vorstand von Infineon verantwortlich für Technologie. "Der Vorgang des Aufwachsens dauert nur wenige Minuten. Das alles sind optimale Voraussetzungen für die produktionstechnische Anwendbarkeit in der Halbleiterherstellung.“

Als erste mögliche Applikation der technologischen Innovation kommen Vias in Frage, also Kontaktbrücken zwischen zwei Metallschichten in ICs. Konventionelle Vias tendieren dazu, sich bei größeren Stromdichten aufgrund der Hitzeentwicklung zu verformen und so die Funktionsfähigkeit des Chips zu beeinträchtigen. Diese Gefahr bestünde bei Einsatz von CNTs als Vias nicht mehr, denn sie bewältigen weitaus größere Stromdichten und besitzen überdies eine viel größere mechanische Stabilität. „Im nächsten Schritt wäre denkbar, dass wir mit den gewonnen Erkenntnissen in der Lage sind, sämtliche metallische Leiterbahnen im Chip durch CNTs zu ersetzen“, so Dr. Franz Kreupl. Das würde dann letztlich zu einer beträchtlichen Steigerung der Chip-Taktraten führen.

Dreidimensionale Szenarien


Die Übernahme der Leiterbahnfunktion durch CNTs ist jedoch nur eine Einsatzmöglichkeit dieses vielseitigen Materials. Ein weiteres bedeutsames Merkmal der Tubes ist die Möglichkeit, dass man sie auch halbleitend herstellen und dotieren kann. So lassen sich auch aktive Schaltelemente wie Feldeffekttransistoren mit CNTs bilden. Bei halbleitenden Tubes kann man durch Einstellung des Durchmessers die Energie-Lücke dimensionieren. Typischerweise beträgt sie 1 Elektronen-Volt bei 1 nm Durchmesser, was etwa den Verhältnissen bei Silizium-Transistoren entspricht. Die Infineon-Forscher arbeiten daran, auch die halbleitenden CNTs gezielt auf einen Wafer zu bringen – unter Einsatz des gleichen katalytischen Abscheidungs-Verfahrens. „Die ganze Thematik geht weit in die Zukunft. Es ist durchaus denkbar, dass diese Technologie als Gesamt-Substitut für die Silizium-basierte Halbleitertechnologie in Frage kommt“, so Teamchef Dr. Hönlein. In dem Fall könnte das relativ teure Silizium als Substrat abgelöst werden, zum Beispiel durch Glas. Doch damit nicht genug. Infineon-Visionäre spielen bereits Szenarien durch, mit CNTs die heutigen planaren Mikroschaltungen zu einer echten 3D-Technologie zu erweitern.

Über Infineon


Infineon Technologies AG, München, bietet Halbleiter- und Systemlösungen für Anwendungen in der drahtgebundenen und mobilen Kommunikation, für Sicherheitssysteme und Chipkarten, für die Automobil- und Industrieelektronik, sowie Speicherbauelemente. Infineon ist weltweit tätig und steuert seine Aktivitäten in den USA aus San Jose, Kalifornien, im asiatisch-pazifischen Raum aus Singapur und in Japan aus Tokio. Mit weltweit rund 33.800 Mitarbeitern erzielte Infineon im Geschäftsjahr 2001 (Ende September) einen Umsatz von 5,67 Milliarden Euro. Das DAX-Unternehmen ist in Frankfurt und New York (NYSE) unter dem Symbol „IFX“ notiert.

Informationsnummer

INFCPR200206.101e

Pressefotos

  • Infineon Technologies achieves breakthrough in carbon nanotube technology - First microelectronics compatible growth of nanotubes at predefined sites on silicon wafers
    Infineon Technologies achieves breakthrough in carbon nanotube technology - First microelectronics compatible growth of nanotubes at predefined sites on silicon wafers
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