Nicht nur Autos können elektrisch angetrieben werden, sondern auch Nutzfahrzeuge wie Busse, Laster, Transporter oder Fahrzeuge in der Landwirtschaft und im Bauwesen. Die E-Modelle sind dabei umweltfreundlicher, leiser und effizienter als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Doch bevor Nutzfahrzeuge flächendeckend elektrifiziert fahren, müssen noch einige Herausforderungen gemeistert werden.
Busse, Baufahrzeuge, die Müllabfuhr, Kleintransporter: Auf unseren Straßen sind weit mehr Fahrzeuge unterwegs als nur Personenkraftwagen. Hinzu kommen große Lastwagen und landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge wie Traktoren. Der Großteil von ihnen wird heute noch mit fossilen Dieselkraftstoffen angetrieben. Dabei haben Nutzfahrzeuge einen hohen Kraftstoffbedarf – schlucken also deutlich mehr Diesel als ein Auto. Doch fossile Brennstoffe wie Öl sind nicht endlos verfügbar. Zudem verschmutzen sie massiv die Luft: In der EU sind Nutzfahrzeuge für 25 Prozent der im Verkehr entstehenden CO2-Emissionen verantwortlich – und damit für fünf Prozent der gesamten Emissionen von Treibhausgasen.
Die Lage wird in Zukunft noch brisanter: Im Jahr 2050 ist die Weltbevölkerung auf 9,8 Milliarden gewachsen, schätzt die UN. Die Menschen müssen von A nach B gelangen und mit Waren beliefert werden. Landwirte bauen mehr Lebensmittel an, Gebäude werden errichtet. Mehr Nutzfahrzeuge bedeuten wiederum mehr Abgase und mehr Lärm. Da künftig rund 70 Prozent der Menschen in Städten leben werden, verschärft sich hier die Situation: Immer mehr Städte könnten deshalb in Zukunft Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren verbannen, um die Umwelt und die Gesundheit ihrer Bürger zu schützen.
Ihre Aufgaben übernehmen dann elektrisch angetriebene Busse, Lastwagen, Traktoren und Bagger. Sie benötigen keine fossilen Kraftstoffe und stoßen keine Emissionen aus. Teilweise fahren schon heute elektrische Nutzfahrzeuge auf unseren Straßen, in einigen Ländern mehr als in anderen: China etwa ist ein Vorreiter beim Einsatz von E-Bussen. Dort wurde bereits erkannt, dass die Elektrifizierung von Nutzfahrzeugen große Chancen und Vorteile bietet. Doch: Es bestehen auch Herausforderungen, die noch zu überwinden sind.
Anstatt mit Diesel oder Benzin werden E-Nutzfahrzeuge elektrisch angetrieben. Es kann sich dabei um Busse, Kleintransporter, Lastkraftwagen, landwirtschaftliche Fahrzeuge wie Mähdrescher oder Traktoren und Baumaschinen wie Bagger oder Radlader handeln. Die elektrischen Nutzfahrzeuge erhalten ihre Antriebsenergie während der Fahrt von der Batterie an Bord. Die Energie zum Laden beziehen sie aus dem Stromnetz. Der Elektromotor wandelt dann, wie bei einem E-Auto, die elektrische in mechanische Energie um. Zu den wichtigsten Komponenten des elektrischen Systems gehört zum einen der sogenannte DC-Steller, der das Bordnetz versorgt. Zum anderen wird durch den Wechselrichter des Antriebs der Gleichstrom der Akkus in den für den Betrieb notwendigen Wechselstrom umgewandelt.
Das Thema Elektrifizierung beschränkt sich bei Nutzfahrzeugen jedoch nicht nur auf den Antrieb selbst. Auch Werkzeuge, Klimaanlagen sowie An- und Aufbauten lassen sich elektrifizieren. Bei Hybridmodellen basieren Teile der Antriebskraft weiterhin auf einem Verbrennungsmotor, der Elektroantrieb liefert das zusätzliche Drehmoment bei Spitzenlasten.
Die Elektrifizierung wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten immer wichtiger werden. Die Klimaziele des Klimaschutzabkommens von Paris aus dem Jahr 2016 sind ehrgeizig: Bis 2050 soll demnach der gesamte Verkehr emissionsfrei sein. Die Länder müssen also weltweit die Emissionen im Verkehr reduzieren. Einige Länder haben Grenzwerte für Nutzfahrzeuge bereits eingeführt, etwa die USA, Kanada, China, Japan und Indien. Die EU zieht erst langsam nach: Hier sollen die durchschnittlichen CO2-Emissionen von schweren Nutzfahrzeugen im Jahr 2030 mindestens 30 Prozent unter dem Niveau von 2019 liegen.
Die Vorteile von E-Nutzfahrzeugen für die Umwelt liegen auf der Hand: Sie verbrauchen im Betrieb keine fossilen Brennstoffe und stoßen kein CO2 aus. Wenn der Strom aus erneuerbaren Quellen stammt, fahren sie komplett sauber. Es gibt weitere Pluspunkte: Ein Elektroantrieb besteht aus weniger Teilen, insbesondere beweglichen. Das führt zu selteneren Ausfällen und weniger Wartungen – der Betrieb wird billiger. Weil E-Fahrzeuge weniger komplex aufgebaut sind, ist zudem eine kompaktere Bauweise möglich. Ein weiterer Vorteil: Sie machen weniger Lärm als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Gleichzeitig fahren sie effizienter – die Fahrzeuge beschleunigen stärker und Energie kann durch elektrisches Bremsen zu großen Teilen zurückgewonnen werden.
Elektrifiziert werden neben dem Antrieb weitere Komponenten. In Nutzfahrzeugen mit Verbrennungsmotor treibt dieser auch Nebenaggregate wie Hydraulikpumpen, Sägen, rotierende Bürsten, Ballenpressen, Mähmaschinen oder Klimakompressoren an. Die Leistung dafür ist an die Drehzahl des Motors gekoppelt. Doch mit einem Elektro- statt einem Hydraulikantrieb lässt sich die Effizienz von Zusatzaggregaten steigern; sie können einzeln und mit höherer Leistung angetrieben werden.
Werner von Siemens war ein Pionier, was die Elektromobilität angeht: Nicht nur stellte er 1867 seinen elektrischen Generator vor, mit dem Fahrzeuge überhaupt erst elektrifiziert werden konnten. 1882 zeigte er außerdem mit dem Elektromote das erste elektrische Nutzfahrzeug, den Vorläufer eines Oberleitungsbusses. Es war das zweite E-Fahrzeug überhaupt nach Gustave Trouvés batteriebetriebenem Dreirad von 1881.
Siemens‘ Wagen rollte mit Hilfe von Strom aus einer Oberleitung auf einer 540 Meter langen Versuchsstrecke im heutigen Berlin. 18 Jahre später wurde er in Paris im planmäßigen Personennahverkehr eingesetzt. Parallel führten weitere Städte verschiedene Modelle von Batteriebussen ohne Oberleitungen ein, etwa Berlin oder Wien. Wegen technischer Schwierigkeiten wurde der Betrieb allerdings meist schnell wieder eingestellt.
Einige Feuerwehrautos oder Müllabfuhren waren ab der Jahrhundertwende bis in die 1920er-Jahre zeitweise elektrisch unterwegs, überwiegend in deutschen Gemeinden und Städten. Zudem entstanden verschiedene Hybrid-Modelle. Die Entwicklung der E-Nutzfahrzeuge wurde aber bald gestoppt, weil fossile Brennstoffe wie Benzin und Diesel günstiger waren als Strom, und Laster mit konventionellem Antrieb leistungsstärker. Es gab eine Ausnahme: Die Post nutzte bis in die 1960er-Jahre elektrische Kleintransporter. Sie hatten eine Reichweite von knapp 30 Kilometern und wurden in Berlin scherzhaft „Suppentriesel“ genannt.
Seit Beginn des 21. Jahrhunderts feiern Elektrobusse eine Renaissance – zunächst in geringen Stückzahlen; inzwischen nimmt ihre Anzahl zu.
Die meisten Elektro-Nutzfahrzeuge sind bislang Busse in Städten. Vorreiter beim Bau von Elektrobussen ist mit großem Abstand China. Andere Modelle stammen aus Spanien, Frankreich und den USA, deutsche Hersteller ziehen erst langsam nach. Bei den anderen Nutzfahrzeugen geht die Entwicklung gebremster voran. Bekannte europäische Hersteller bauen zwar alle größere Lastkraftwagen, allerdings zunächst in Kleinserien.
Fast jeder fünfte Bus in China fährt heute ohne Verbrennungsmotor, Tendenz steigend. Allein 2016 wurden in dem Land 115.000 Elektrobusse zugelassen. Zum Vergleich: Laut dem deutschen Kraftfahrzeugbundesamt gab es Anfang 2018 in ganz Deutschland 168 Elektro- und 318 Hybridbusse, aber knapp 79.500 Dieselbusse. Die chinesische Millionenstadt Shenzhen hingegen hat die komplette Busflotte auf Elektroantrieb umgestellt – als erste Metropole weltweit. Mehr als 16.400 E-Busse sind dort jetzt unterwegs. 510 Busladestationen mit 8000 Ladesäulen sind auf die Stadt verteilt. So will die Stadt jedes Jahr 1,35 Millionen Tonnen an CO2-Emissionen einsparen. Entwickelt werden E-Busse heute ebenfalls hauptsächlich in China. Die Regierung möchte Dieselbusse in Großstädten nach und nach mit E-Bussen ersetzen. Schon seit 2009 wird der Bau deshalb subventioniert.
Auch beim Einsatz von Elektrobussen liegt China weit vorne: Weltweit fahren rund 385.000 E-Busse, davon 99 Prozent in der Volksrepublik, so Bloomberg New Energy Finance (BNEF). In Europa sind die Niederlande bei elektrischen Bussen führend: Der Amsterdamer Flughafen Schiphol betreibt mit 258 Fahrzeugen Europas größte E-Bus-Flotte. Diese werden benutzt, um Passagiere zu den Flugzeugen und in die näheren Flughafenumgebung zu transportieren. Aktuell betreiben die Niederlande mehr als 1.000 E-Busse. Eine Zahl, die in den nächsten fünf Jahren sogar um weitere 20 Prozent steigen soll.
Auch in anderen Ländern sind E-Busse im Einsatz. Im Schweizer Kurort Zermatt transportieren bereits seit 1988 elektrisch betriebene Busse die Kurgäste durch die autofreie Innenstadt. Seit 2002 gibt es in den italienischen Städten Genua und Turin auf einigen Linien E-Busse, im deutschen Braunschweig seit 2014 und in Münster sowie Berlin seit 2015. Aktuell sind 676 E-Busse in Deutschland unterwegs. Diese Zahl wird jedoch deutlich steigen, da weitere 3.100 E-Busse in Planung sind. In Kalifornien sind zum Teil E-Schulbusse unterwegs. In London fahren seit 2013 E-Busse, bis 2037 soll die gesamte Busflotte auf elektrischen Betrieb umgestellt werden.
Das typische Einsatzgebiet von Elektro-Lkw ist bisher der innerstädtische Verteilerverkehr, zum Beispiel zur Belieferung von Supermärkten oder für Kurierdienste. Das liegt daran, dass diese Fahrzeuge keine langen Strecken zurücklegen müssen.
Vorreiter auf dem Gebiet der elektrischen Transporter ist die Deutsche Post: Seit Mitte 2016 produziert das Unternehmen den eigens entwickelten Streetscooter, der Briefe und Pakete bringt. 6000 der Fahrzeuge sind schon auf den Straßen unterwegs. Sie fahren mit einer Höchstgeschwindigkeit von 85 km/h und legen mit einer Batterieladung bis zu 118 Kilometer zurück. Bislang können die Fahrzeuge bis 720 Kilogramm zuladen, ein größeres Modell ist geplant. Mercedes will der Post mit elektrischen Lieferwagen für den Paketzusteller Hermes ab 2020 Konkurrenz machen. In den größten niederländischen Städten sind bereits elektrisch angetriebene 7,5-Tonner unterwegs, sogenannte Cargohopper.
Auch bei den Maschinen in der Landwirtschaft und auf dem Bau gibt es immer mehr elektrische Modelle, etwa Hof- und Radlader sowie selbstfahrende Futtermischmaschinen. Verschiedene Traktorhersteller arbeiten an Modellen, die bald auf den Markt kommen sollen. Auch einige große Baumaschinen wie Muldenkipper oder Betonmischer fahren bereits elektrisch. In der Schweiz ist der Muldenkipper Lynx im Einsatz: Er transportiert aus einer Abbaustelle in einem Steinbruch Steine ins Tal. Voll beladen wiegt er 123 Tonnen. Bei der Talfahrt produziert Lynx so viel Strom, dass das für die folgende Bergfahrt ausreicht. Die Radlader 944 von John Deere oder D7E von Caterpillar gehören zu den derzeit größten Baumaschinen mit elektrischem Antriebsstrang, beide sind Hybridfahrzeuge.
Bislang kommen E-Nutzfahrzeuge wie Busse oder Laster mit einer Ladung 200 bis 300 Kilometer weit. Die Reichweite hängt davon ab, wie schnell sie fahren und ob etwa die Heizung oder Klimaanlage genutzt wird. Doch je höher die Batteriekapazitäten sind und je weiter die Ladetechnik voranschreitet, desto größer wird die Reichweite. Der US-Hersteller Proterra stellte einen Rekord auf: Der Elektrobus Catalyst E2 Max legte mit einer Batterieladung knapp 1.800 Kilometer zurück.
Auf der Langstrecke ist die Elektrifizierung von Lkw bislang noch schwierig: Die Akkus, die mit an Bord sein müssten, sind noch zu groß und schwer. Eine Idee zur Lösung sind Oberleitungs-Laster: Die Fahrzeuge nutzen den Strom für die Fahrt und laden zugleich ihren Akku. Oberleitungen müssten nicht flächendeckend vorhanden sein, sondern nur auf einzelnen Autobahn-Abschnitten. In Schweden sind Laster mit Stromabnehmern seit 2016 auf den Straßen zu sehen. Ab Ende 2018 wird das Konzept bei einem Pilotprojekt auch in Deutschland getestet, zunächst in Schleswig-Holstein, ab 2019 auch auf der Autobahn zwischen Frankfurt und Darmstadt.
Eine andere Lösung für die Langstrecke könnte der Einsatz von Brennstoffzellen sein. Mehrere Hersteller arbeiten bereits an Testfahrzeugen. Der Vorteil: Die Fahrzeuge könnten mit mehreren Wasserstofftanks im Unterboden ausgestattet werden. Das Gewicht ist dabei geringer als bei Akkus für eine vergleichbare Reichweite. Bislang gibt es allerdings noch zu wenige entsprechende Tankstellen.
Auch deshalb wird derzeit meist über andere Wege versucht, die CO2-Emissionen von Langstrecken-Lkw zu reduzieren. Eine Möglichkeit hierfür ist das sogenannte Platooning, bei dem automatisierte, miteinander vernetzte Lkw in der Kolonne dicht an dicht hintereinander fahren. Das sorgt für einen besseren Verkehrsfluss, spart Kraftstoff und reduziert den Ausstoß an Klimagasen wie Kohlendioxid. Wie das North American Council for Freight Efficiency (NACFE) errechnet hat, kann der Kraftstoffverbrauch durch Platooning um bis zu zehn Prozent je Fahrzeug reduziert werden.
Statt neue Elektrofahrzeuge anzuschaffen, können Kommunen ihre bereits vorhandenen Nutzfahrzeuge auch umbauen lassen – in der Fachsprache wird das als „Retrofitting“ bezeichnet. Ein solches Konzept verfolgt etwa die bayerische Firma Paul seit einigen Monaten: Sie entfernt den konventionellen Antriebsstrang, im Wesentlichen also Motor und Getriebe, aus Kleintransportern – und setzt einen neuen elektrischen Antrieb ein.
Elektrische Busse, Laster und weitere Nutzfahrzeuge haben gegenüber Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor auch Nachteile, jedenfalls beim aktuellen Stand der Technik. So sind die Anschaffungskosten von elektrischen Fahrzeugen derzeit noch höher. Bislang fahren sie mit einer Batterieladung zudem nicht so weit wie ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. E-Busse werden daher fast ausschließlich im Stadtverkehr eingesetzt. Für mehr Reichweite wären größere Batterien notwendig. Das Aufladen der Busse und Laster dauert auch länger als das Betanken mit Kraftstoff – und die Ladeinfrastruktur ist noch nicht optimal. Der Kraftstoff eines Diesel-Lasters kann an jeder Tankstelle nachgefüllt werden. Der Fahrer des E-Lasters muss jedoch erst die passende Ladesäule finden und anfahren.
Im Vergleich zu einem elektrisch angetriebenen Auto müssen Nutzfahrzeuge weitere Herausforderungen meistern. Sie sind schwerer und brauchen deshalb von vornherein größere und leistungsfähigere Akkus. Sie müssen außerdem mehr aushalten als ein Pkw – Nutzfahrzeuge im Bau oder in der Landwirtschaft etwa starke Vibrationen.
E-Busse fahren häufig im Stop&Go, bremsen und beschleunigen also öfter. Zudem legen sie pro Tag mehr Kilometer zurück und fahren länger: Im Durchschnitt mindestens 100 Kilometer, verteilt auf über zehn Stunden – der Pkw nur bis zu 50 Kilometer und durchschnittlich eine Stunde lang, wie Dr. Martin Schulz, Experte für Leistungselektronik bei Infineon, erklärt. Der Lebenszyklus der Teile in einem Nutzfahrzeug liegt deshalb bei rund 60.000 Stunden, im Gegensatz zu rund 8.000 Stunden bei Personenkraftwagen. Busse legen darüber hinaus im Lauf ihres Betriebslebens deutlich mehr Kilometer zurück: Typischerweise sind es mehr als eine Million Kilometer, beim Auto nur bis zu 200.000 Kilometer. Das alles wirkt sich auf die Leistungselektronik an Bord aus: Auch die elektronischen Teile müssen robuster und langlebiger sein.
Die Forderung nach Fahrkomfort bringt bei Elektrobussen außerdem Schwierigkeiten mit sich: Wenn die Energie aus der Batterie fürs Heizen oder die Klimaanlage genutzt wird, kann die Reichweite sinken. Auch hierfür bräuchten die Modelle leistungsstärkere und größere Akkus – oder es müssen innovative Lösungen zur Temperaturregelung gefunden werden.
Das Aufladen der Batterie ist vor allem bei E-Bussen eine der größten Herausforderungen: Während sie Strom tanken, können sie nicht fahren. Sie können aber auch nicht mehrere Stunden aus dem Verkehr gezogen werden. Je größer die Akkus, desto mehr Kilometer schafft der Bus mit einer Batterieladung. Dies geht jedoch zu Lasten der Personenkapazität, also der Plätze im Bus – und bedeutet mehr Gewicht. Doch je schwerer das Fahrzeug ist, desto mehr Energie benötigt es.
Hersteller und Zulieferer konzentrieren sich deshalb darauf, Batterien und die Ladetechnik noch effizienter zu machen. Sie suchen bessere Wege, um Akkus mit Hunderten Kilowattstunden in kürzester Zeit mit Energie zu versorgen, wie Dr. Martin Schulz erläutert. Dafür gibt es verschiedene Herangehensweisen mit jeweiligen Vor- und Nachteilen.
Eine Möglichkeit ist, die Akkus während des Fahrgastwechsels an den Haltestellen kurz nachzuladen. Dadurch können kleinere Batterien zum Einsatz kommen. Allerdings beansprucht das den Akku stark, weil innerhalb kürzester Zeit viel Strom eingespeist werden muss. Eine Alternative wäre, Ladestationen in der Mitte oder am Ende einer Linie einzurichten und den Bus dort zum Laden länger stehen zu lassen, beispielsweise eine halbe Stunde. Diese muss der Fahrer ohnehin als Pause einplanen. Oder aber, die Ladeinfrastruktur wird im Depot errichtet. Die Akkus der Busse würden dann ausschließlich über Nacht geladen. Vorteil: Es wären keine neuen Ladestationen nötig, die Batterien würden durch langsames Aufladen geschont. Das setzt allerdings große Akkus mit hohen Kapazitäten voraus. Einige chinesische Elektrobusse nutzen das System des „Battery Swapping“: Leer gefahrene Akkus werden an bestimmten Stationen durch frisch aufgeladene ersetzt.
Eine weitere Schwierigkeit: Bislang gibt es weltweit keinen Standard für die Ladesysteme bei elektrischen Nutzfahrzeugen. Europa und Nordamerika nutzen ein anderes System als China oder Japan. Derzeit werden die verschiedenen Möglichkeiten getestet und diskutiert. Welches System sich durchsetzen wird, ist noch offen. Jedes davon stellt jedoch hohe Anforderungen an Leistungshalbleiter.
Infineon trägt auf zahlreiche Arten dazu bei, elektrische Nutzfahrzeuge möglich zu machen. Der Unternehmensbereich Commercial, Construction and Agricultural Vehicles umfasst neben Kleintransportern und Bussen auch landwirtschaftliche Maschinen und Großfahrzeuge im Baugewerbe.
Das große Ziel: den CO2-Ausstoß deutlich zu reduzieren, indem zum Beispiel der öffentliche Nahverkehr weltweit elektrisch wird. Die verschiedenartigen Anforderungen an Leistungshalbleiter sind bei der Elektrifizierung von Nutzfahrzeugen jedoch nicht einfach zu erfüllen. Hier spielt zum einen die geforderte Lebensdauer der Elektronik eine große Rolle. Viele Nutzfahrzeuge müssen zudem unter extremen Bedingungen arbeiten, insbesondere starke Vibrationen sind eine Herausforderung. Schon bei Bussen ist der Schutz vor Erschütterungen in jedem Fall sinnvoll – bei schweren Maschinen im Bau, auf schlecht befestigten Wegen oder in Steinbrüchen hingegen unbedingt notwendig. Infineon entwickelt deshalb Halbleiter, die die Stabilität erhöhen und höchsten Anforderungen genügen. Leistungsmodule wie PrimePACK™ und EconoDUAL™ 3 sind speziell auf die hohe Beanspruchung von schweren Nutzfahrzeugen ausgerichtet und verkraften auch die mechanischen Belastungen durch Erschütterungen. So unterstützt Infineon den Bau von besonders kompakten und verlässlichen Invertersystemen, auch für anspruchsvollste Anwendungen
Wichtig ist es zudem, die Kapazität und Lebensdauer der Batterien zu steigern. Im Fahrzeug nimmt die Batterie viel Bauraum ein und ist einer der kostentreibenden Faktoren. Um die vorhandene Kapazität deshalb bestmöglich zu nutzen, braucht es Leistungselektronik mit hohem Wirkungsgrad: Infineon trägt mit modernen Bauelementen – etwa auf Basis von Siliziumkarbid (SiC) – dazu bei, effizientere Nutzfahrzeuge auf die Straßen zu bringen und deren Reichweite zugleich zu vergrößern.
Doch um das zu erreichen, braucht es neben den Fahrzeugen selbst auch die passende Ladeinfrastruktur, erklärt Dr. Martin Schulz. Infineon arbeitet deshalb daran, auch den Ladevorgang effizienter und schneller zu machen. Materialien wie Siliziumkarbid (SiC) und Galliumnitrid (GaN) erlauben dabei die Herstellung von Bauelementen, die kleiner und effizienter als ihre Vorgänger sind. Durch gestiegene Ladeleistungen – aktuell bis zu 350kW – gehören lange Wartezeiten beim Laden also bald der Vergangenheit an.
Elektrifizierte Nutzfahrzeuge sind in Zukunft immer häufiger auf den Straßen zu sehen. Nach einer McKinsey-Studie werden Elektrolaster wie Kleintransporter oder Sattelschlepper im Jahr 2030 rund 15 Prozent Anteil am Gesamtmarkt haben. Allein den Anteil der kleineren Nutzfahrzeuge in Städten schätzen die Forscher in China und Europa auf 35 Prozent. 2040 fahren nach Prognosen des Forschungsunternehmens Bloomberg New Energy Finance (BNEF) 80 Prozent der Busse in den Städten weltweit elektrisch.
Eine weitere Entwicklung wird künftig unterstützend wirken: Fahren etwa Lkw autonom und vernetzen sich mit anderen Lastern, können sie energiesparend in Kolonnen fahren. Doch auch durch bessere und zugleich günstigere Batterien wird sich in Zukunft die Ladezeit verringern und die Reichweite höher. Daimler Trucks hat das errechnet: Das Unternehmen erwartet, dass die Kosten für Batterien eines Elektro-Lkw sinken – im Vergleich zwischen 1997 und 2025 um 60 Prozent oder von 500 Euro/kWh auf 200 Euro/kWh. Gleichzeitig steigt die Energiedichte in diesem Zeitraum von 80 Wh/kg auf 200 Wh/kg. Je effizienter die Batterien arbeiten und je schneller der Ladevorgang erfolgt, desto interessanter wird der Einsatz von elektrischen Nutzfahrzeugen – zusätzlich zu allen Vorteilen, die die umweltschonende und effiziente Antriebstechnik schon heute bietet.
Letzte Aktualisierung: Juli 2021